Muss man Vollmachten im Original vorlegen? Formfehler-Risiko bei Kündigung, Mahnung, Anfechtung etc.
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 Published On Jan 26, 2021

Ein häufiger Formfehler, der bei sogenannten "einseitigen Willenserklärungen" durch Bevollmächtigte passiert, ist das Fehlen einer Originalvollmacht. Weil viele, sogar manche Rechtsanwälte, den § 174 BGB nicht kennen.

Nach § 174 S. 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das von einem Bevollmächtigten (also zum Beispiel einem Anwalt, einem Personalleiter, einem Vorsorgebevollmächtigten) gegenüber einem anderen vorgenommen wird unwirksam, wenn der Bevollmächtigte keine Vollmachtsurkunde IM ORIGINAL vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist.

Solche einseitigen Rechtsgeschäfte nach 174 BGB sind zum Beispiel eine Anfechtung, eine Widerrufserklärung, eine Mahnung und natürlich eine Kündigung. Legt der Bevollmächtigte hierbei keine Vollmachtsurkunde vor – also keine vom Vollmachtgeber eigenhändig unterschriebene Originalvollmacht, kann der Erklärungsempfänger das Rechtsgeschäft unverzüglich (also sofort oder innerhalb weniger Tage) zurückweisen und damit die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts herbeiführen. Sinn der Regelung ist, dass der Empfänger der Erklärung, zum Beispiel der Kündigung, absolut sicher kein kann, dass der Bevollmächtigte immer noch im besitz der Originalvollmacht ist.

Die Zurückweisung ist aber nicht möglich, der Empfänger der Erklärung bereits vom Vollmachtgeber selbst weiß, dass dieser jemanden bevollmächtigt hat. In diesen Fällen, muss also keine Vollmacht vorgelegt werden (§ 174 Satz 2 BGB).

Vorsicht! §174 BGB gilt NICHT im Rahmen von Zivilprozessen und gilt laut BGH-Urteil vom 19. 5. 2010 (I ZR 140/08) auch nicht bei UWG-Abmahnungen (Unterlassungsaufforderungen), wenn der Unterlassungsaufforderung (wie meistens der Fall) auch ein Angebot auf Abschluss einer strafbewehrten Unterwerfungsvereinbarung beigefügt ist. Das muss man nicht unbedingt verstehen, ist aber BGH-Rechtsprechung. Leitsatz: „Die Vorschrift des § 174 Satz 1 BGB ist auf die wettbewerbsrechtliche Abmahnung nicht anwendbar, wenn die Abmahnung mit einem Angebot zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrages verbunden ist.“

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