Iserlohn-Letmathe, St. Kilian - Plenum
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 Published On Nov 30, 2019

Letmathe, heute Stadtteil von Iserlohn im Sauerland, wurde 1036 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Die erste Erwähnung eines Priesters oder Pfarrers erfolgte 1253, doch dürfte die heutige Kirchengemeinde bereits viel älter sein, darauf weist das Patrozinium des hl. Kilian hin. Ursprünglich zum Erzbistum Köln gehörend, dürfte die Kirche dennoch eine Gründung des Bistums Paderborn, dessen Dom zunächst auch dem hl. Kilian geweiht war, sein. Nach langer, kölnischer Zugehörigkeit kam Letmathe 1821 zum Bistum Paderborn.

Die Herren von Letmathe waren auch Patronatsherren der Kirche, zuletzt, bis zu Beginn des 19. Jh., die Familie von Brabeck, auf die auch die bis 1914 erhaltene Kilianskirche im Wesentlichen zurückging. Wegen Baumängeln und einer angewachsenen Gemeinde war diese Kirche nicht zu erhalten. Mitten in den Wirren des 1. Weltkriegs erbaute die Gemeinde nach Plänen des Aachener Dombaumeisters Josef Buchkremer von 1914 bis 17 ihr neues Gotteshaus, aufgrund der enormen Größe schon bald Kilians- oder Lennedom genannt.

Die komplett in Naturstein erbaute Kirche zeigt sich außen burgartig-wehrhaft, der Innenraum nimmt das Thema der westfälischen Hallenkirche feingliedrig und in guten Proportionen auf. Die heutige Raumfassung geht auf die Generalsanierung von 1978 zurück, für deren Ausführung der Warsteiner Architekt Heinrich Stiegemann verantwortlich war. Bei der aktuellen Sanierung 2018/19 blieb diese Raumfassung erhalten. Besonders erwähnenswert ist die edle Neuausstattung des Chores durch die Gebrüder Winkelmann, Möhnesee-Günne.

Vom 73 Meter hohen Turm des Kiliansdomes erklingen vier Gußstahlglocken des Bochumer Vereins. Über die Glockengeschichte der Kirche ist bislang fast nichts zu erfahren. 1917 kamen wohl Glocken aus der alten Kirche mit in die neue, 1922 erhielt die Kirche ein neues Geläut, das im 2. Weltkrieg unterging.

Für die Entwicklungsgeschichte der Bochumer Stahlglocken ist das Geläut nicht uninteressant. Die 3 „kleinen“ Glocken sind in der tatsächlichen, also schweren V12-Rippe gegossen, die große Glocke jedoch in einer deutlich leichteren Rippe. Im August 1948 schrieb der damalige Direktor des BVG, Aloys Heuvers, an den Glockensachverständigen Theo Fehn von einer „Tochter“ der V12, deren Schlagton einen Ganzton tiefer als bei regulärer V12 liegen sollte, sowie von einer „Schwester der Tochter“ mit längerem Nachklang. Die große Kiliansglocke war als g°-Glocke geplant, man vergleiche ihre Abmessungen z. B. mit der g° der Stiftskirche in Neustadt a. d. W.! Ob man die hier verwendete Rippe als V13 oder 14 bezeichnen kann? Die ähnlich tontiefen Geläute der Propstei Wattenscheid und von Herz Jesu in Münster sind größtenteils auch nicht in der eigentlichen V12 gegossen, die gis°-Glocken dort sind aber dennoch relativ schwerer als die Letmather Glocke. Die Summtöne der Letmather Glocke bauen allesamt auf g° auf, der Schlagton weicht jedoch nach oben ab. Ein Fehler beim Stimmen oder ein tatsächlicher Fehlguss? Je nach Hörposition nimmt man die Glocke mal als as°, mal als g° zum restlichen Geläut wahr.

2019 wurde das Geläut saniert, ein massiver Eichenholzglockenstuhl eingebaut und alle Glocken an gerade Holzjoche gehängt sowie mit neuen Klöppeln ausgestattet. Das Ergebnis ist sehr beeindruckend. Aufgrund der Glockengröße bleibt der Läuterhythmus etwas träge, die Tongebung erfolgt jedoch deutlich lebendiger als bei V12-Glocken gewohnt, das Geläut kommt in vitaler Kraft und guter Mischung vom Turm. Herzlichen Glückwunsch an die Kirchengemeinde zu diesem erfolgreichen (und mutigen) Projekt!

Ein erstes Dokumentationsvideo der Sanierung findet sich hier:

   • Vorschau: Umbau des Glockenstuhls am ...  

Geläutedaten:

1. Kilian as°-8 (Unteroktav: G +2, Prime: g° -4)
2275 mm, 5020 kg

2. Totenglocke b° -4
2150 mm, 4300 kg

3. Maria – Königin des Friedens c‘ -7
1914 mm, 3120 kg

4. Joseph es‘ -1
1611 mm, 1895 kg

Alle Glocken 1948 vom Bochumer Verein gegossen.

Aufnahme: Allerheiligentag, 01.11.2019, reguläres Geläut zum Hochamt ab 11.00 Uhr.

Alle Fotos eigener Provenienz.

Herzlicher Dank gilt dem Glockenbeauftragten des Kirchenvorstandes, Herrn Bellebaum (und seiner Frau) für die spontane Ermöglichung der Turmbegehung und die begeisterten Erzählungen.

Verwendete Quellen/Literatur:

Geläutedaten: Inventarisation durch Dr. Gerd Best und Theo Halekotte, frdl. Übermittlung der Daten durch Th. Halekotte.

Verein der Freunde des St. Kilians-Domes Letmathe/Sauerland (Hrsg.): Peter Trotier: In aller Zeiten Lauf – Festschrift zum 750-jährigen Jubiläum, der ersten, urkundlichen Erwähnung der katholischen Pfarrgemeinde St. Kilian zu Letmathe im Jahr 1253, Letmathe 2002.

Verein der Freunde des St. Kilians-Domes Letmathe/Sauerland (Hrsg.): Peter Trotier: Die Pfarrkirche St. Kilian zu Letmathe – ein Kirchenführer. 3. Auflage, Letmathe 2003.

Wikipedia-Artikel zur Pfarrkirche St. Kilian, abgerufen am 27.11.2019: https://de.wikipedia.org/wiki/St._Kil...)

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