Justiz und Widerstand im "3. Reich" - ein Dokumentarspiel hr 1967
Peter Milger Peter Milger
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 Published On Mar 31, 2016

Verbesserte Fassung. - Justizopfer unter dem NS-Regime: allein in Frankfurt am Main. Preungesheim wurden mehr als 250 ausländische Zwangsarbeiter und Deutsche aus politischen Gründen hingerichtet. Sie waren mit dem Regime in Konflikt geraten ("Volksschädlinge") oder hatten aktiven Widerstand geleistet. ("Volksfeinde"). Die Vollstreckungen wurde publiziert, jede Form von Opposition sollte im Keim erstickt werden.
Helfershelfer waren deutsche Staatsdiener, Staatsanwälte und Richter, die einstmals den Eid auf die Weimarer Verfassung abgelegt hatten. Nun verurteilten sie Menschen zum Tode, die etwa "Feindsender" (BBC) abhörten, Kriegsgefangenen oder Juden beistanden, mit Juden intim wurden oder Zweifel am Endsieg äußerten. Urteilsgründe - in der Sprache der Sondergerichte: Fahnenflucht, Wehrkraftzersetzung, Rassenschande, Plündern, Sabotage, Landesverrat, Vorbereitung zum Hochverrat. Die meisten der dafür verantwortlichen Juristen waren 1962 wieder in Amt und Würden. Sie hatten den Eid auf den Führer Adolf Hitler abgelebt wie alte Socken und nun der neuen Verfassung die Treue gelobt. Den Regierungsparteien in Bonn galten sie nicht als Täter, die Urteile waren weiter rechtskräftig. Die wenigen Täter, die angeklagt wurden kamen straffrei davon. Tenor: Sie hätten den Unrechtscharakter des Regimes nicht erkennen können, und quasi auf Befehl gehandelt. Von "Opfern der Justiz" und "Blutrichtern" war nur im linken Spektrum und bei den Organisationen der Hinterbliebenen die Rede. (etwa VVN, "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes". Der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer war einer der wenigen Juristen, der ihre Bestrafung forderten. Und zwar vergeblich. Dass Gerichte im NS-Staat Unrecht gesprochen hatten, bestritt das konservative Lager bis in die 80ger Jahre. Wer nach dem Krieg eine Verfolgung von Tätern verlangte, galt als Nestbeschmutzer, Vaterlandsverräter, wurde als Kommunist verfolgt. Die Adenauerregierung und die meisten Landesregierungen entließen die von den Siegermächten verurteilte Täter frühzeitig. NS-Täter wurden kaum noch verfolgt, dafür massenhaft Mitglieder der KPD. Das rechte politische Spektrum und die meisten Deutschen waren sich einig: Keine weitere "Nazischnüffelei", es muss ein "Schlussstrich" gezogen werden. Das Personal, das in den Amtsstuben und in der Wehrmacht dem NS-Regime mit Elan gedient hatte und einschlägig qualifiziert war, wurde dringend gebraucht: Für die Wiederaufrüstung mit dem Ziel, im Osten "verlorene" Gebiete zurückzugewinnen. Es folgte der Dauerkonflikt mit der Sowjetunion namens "Kalter Krieg".

1962 setzten der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer und die hessische SPD die Errichtung eines Mahnmals zum Gedenken an ermordete Widerstandskämpfer vor der Strafvollzugsanstalt in Frankfurt am Main Preungesheim durch. Von Opfern der Justiz war in der Inschrift keine Rede. Die hessische CDU und die Staatsjuristen hatten das Vorhaben abgelehnt, so dass bei der Gestaltung ein Kompromiss nötig wurde. Bei der Enthüllungsfeier gestalteten Mitglieder der "neuen bühne ev." (Uni Frankfurt) eine Lesung. Im Zuge der Vorbereitung lernte ich Fritz Bauer kennen. Beim letzten Treffen übergab er mir einige Fotoablichtungen von Dokumenten aus dem Archiv des Strafgefängnisses Preungesheim. Das sei nicht ganz legal, aber legitim, sagte er, ich könne sie ruhig verwenden. Die Schreiben zeigen, dass es beim Hinrichten auch unter den Nazis ordentlich und bürokratisch zuging. Besonders aufschlussreich fand Fritz Bauer einen Briefwechsel zwischen verschiedenen staatlichen Dienststellen. Dabei ging es um Sonderzuteilungen von Rauchwaren für das Wachpersonal des Gefängnisses. Begründung der Anforderung: Die Zugnahme der Hinrichtungen. Bauer nahm an, dass die Beamten niederer Dienstgrade erkannten, dass zumindest einige Delikte keine Todesstrafe rechtfertigten und ihre Nervosität mit Zigaretten bekämpften. Wie waren uns einig, dass man die Schreiben der Behörden zu einem Dokumentarspiel verarbeiten könne. Mit der neuen bühne hat es nicht mehr geklappt. Die Studentenbewegung nahm Formen, es gab anderes zu tun. Ich habe dann die Dokumente in ein Hörspiel eingearbeitet, das der Hessische Rundfunk mit Hans Ernst Jäger in der Hauptrolle produziert hat und von allen Sendern übernommen worden ist. (Bewilligt wurden 200 Zigaretten.) Es wurde von allen ARD-Sendern übernommen. Peter Milger. Siehe auch
www.milger.de
www.milger.de/kalterkrieg.htm
www.milger.de/mahnmal.htm

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