Der Leibschneider der Zwerge [ ein
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 Published On Premiered Oct 15, 2024

Inhalt:
Vor langer, langer Zeit lebte zu Aachen, in der alten Kaiserstadt, ein Schneidermeister, wie es deren heute noch viele gibt. Doch hatte Meister Caspar damals das besondere Vorrecht, die kaiserlichen Stalldecken und sonstige Kleidungsstücke für Pferde und Dienerschaft mit seiner kunstreichen Nadel verfertigen zu dürfen. Er bildete sich auf dies Amt nicht wenig ein, und wenn man ihn auf seinem Tische sitzen sah, mit der spitzen weißen Mütze auf dem Kopf, die Elle wie ein Scepter in der Hand schwingend, so hätte man wohl glauben können, Meister Caspar sei der Kaiser selbst gewesen. Obgleich er aber nur ein kleines dürres Kerlchen war, so besaß er doch bei seinen Gesellen und Lehrjungen einen fast unglaublichen Respekt, was um so unbegreiflicher war, da er mit seinen Leuten nie lärmte und schimpfte, sondern bei vorkommenden Gelegenheiten seine feine krähende Stimme erhob, um seinen Schneiderburschen mit aller Artigkeit zu sagen, daß sie Lumpen und bis unter die Haut schlechte Kerle seien. Es war merkwürdig, was die wildesten und verwegensten Schneidergesellen zahm und gelenkig wurden, wenn sie erst eine kurze Zeit in Meister Caspars Werkstatt gearbeitet hatten. Die Faulen wurden fleißig und die, welche lieber Geschichtchen erzählten oder Lieder sangen, als Stiche machten, schienen bald in dem Punkt ihr ganzes Gedächtniß verloren zu haben und waren stumm wie die Fische. An dieser guten Zucht mochte nun der strenge Meister selbst viel Schuld sein. Doch wollten andere Leute behaupten, daß die Gesellen, wenn ihnen der kleine dürre Mann mit der haarfeinen Stimme eine Standrede hielt, eher darüber zum Lachen geneigt seien, als zu Befolgung seiner Vorschriften, und daß im Haus ein anderer Zauber walte, der im Stande sei, die kecken trotzigen Gemüther der Schneider zu bändigen. Der Zauber war aber Niemand anders, als das sechzehnjährige Töchterlein des Meister Caspar, die ihm, da die Frau Schneidermeisterin gestorben war, die Wirtschaft führte....

Friedrich Wilhelm Hackländer
(seit 1860: Ritter von Hackländer)
Geboren am 1.11.1816 in Burtscheid bei Aachen; gestorben am 6.7.1877 in Leoni am Starnberger See.

Hackländer wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Das Waisenkind wurde mit 15 Jahren in einem Elberfelder Textilgeschäft als kaufmännischer Lehrling untergebracht. 1832 trat er als Freiwilliger in die preußische Artillerie ein, kehrte jedoch bald in den Kaufmannsberuf zurück. 1840 zog er nach Stuttgart.....

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