Der hohe Preis des Krieges: Die Probleme heimkehrender Soldaten | BR24
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 Published On Sep 28, 2021

Die Bilder aus Afghanistan sind für Bundeswehrsoldaten nur schwer zu ertragen. Traumatisierte Kriegs-Veteranen erleben eine Art Retraumatisierung. Mehrere Stimmen fordern unbürokratischere Therapieplätze. Katharina Pfadenhauer hat Afghanistan-Soldaten aus Bayern getroffen, die sich mehr Unterstützung von der Bundeswehr gewünscht hätten.

Guido Sabbath war seit 1999 regelmäßig in Bundeswehreinsätzen, unter anderem im Kosovo, aber auch vier Mal in Afghanistan. Was er dort erlebt hat, kann er bis heute nicht verarbeiten. Der 48-Jährige leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung - kurz PTBS. „Ich schlafe maximal eineinhalb Stunden bevor ich schweißgebadet aufwache“, erzählt Guido. „Ich bin nie aus dem Einsatz zurückgekommen“.

Auch der Berufssoldat Dirk ist traumatisiert. Dass er mit 27 Jahren nach Afghanistan geschickt wurde und dort einen verheerenden Busanschlag miterlebte, bei dem vier seiner Kameraden starben, lässt ihn nicht mehr los.

Er sagt: „Wenn ich außerhalb von meinem Grundstück bin, krieg ich Herzrasen, krieg ich Magenkrämpfe, krieg ich Augenbrennen.“ Auch prüfe er immer, wenn er unterwegs sei, ob sich irgendjemand auffällig verhalte oder einen merkwürdigen Rucksack trage.

Doch beide mussten jahrelang um die Anerkennung ihrer Krankheit kämpfen. Das Grundproblem: viele Betroffene suchen erst Jahre nach dem Einsatz Hilfe. Kritik kommt unter anderem aus den Reihen der Freien Wähler. Die Bundeswehr sei hier zu bürokratisch und wenig entgegenkommend.

Meist seien die Soldaten in der Beweislast und sie müssten dem Dienstherren nachweisen, dass sie psychisch erkrankt sind, sagt der stellvertretende Vorsitzende der Freien Wähler in Bayern, Hans Martin Grötsch. Er empfindet die bürokratischen Hürden bei der Bundeswehr als zu hoch, Prozesse seien oft zu langwierig.

Die Wehrbeauftragte der Bundesregierung, Eva Högl (SPD), fordert mehr Therapieangebote für traumatisierte Soldaten. Und vor allem gezieltere, damit ihnen früher geholfen werden kann. Wichtig seien rasche Verfahren zur Feststellung, ob eine Einsatzschädigung vorliegt. Dann könnten Hilfen schnell greifen und die Betroffenen unterstützt werden.

Der Bund Deutscher Einsatzveteranen möchte, dass die Beweislast grundsätzlich umgekehrt wird. Unter bestimmten Voraussetzungen ist das allerdings schon der Fall: Wenn beispielsweise ein Soldat im Einsatz einen Sprengstoffanschlag miterlebt und sich unmittelbar danach in Therapie begibt, liegt die Beweislast beim Dienstherrn. Der müsste dann dem Soldaten nachweisen, dass er nicht an PTBS leidet.

Laut Bundeswehr ist PTBS eine der häufigsten Diagnosen, nachdem Soldaten in einen Einsatz geschickt wurden. Seit 2016 erkranken jedes Jahr etwa 200 Soldaten an PTBS. Die überwiegende Mehrheit von ihnen war in Afghanistan.

Vergangenes Jahr gab es einen Spitzenwert: Bei 213 Soldaten wurde PTBS diagnostiziert. Zwei Drittel von ihnen haben in Afghanistan gekämpft. Dunja Neukam vom Bund Deutscher Einsatzveteranen geht davon aus, dass die Dunkelziffer noch viel höher ist. Sie glaubt, dass jeder dritte Soldat, der in einem Auslandseinsatz war, an PTBS leiden könnte.

Das Verteidigungsministerium hat das Thema erkannt und einen eigenen PTBS-Beauftragten. Ein Ministeriumssprecher teilt auf Anfrage mit: Man bemühe sich seit Jahren „um eine Entstigmatisierung von psychischen Krankheiten“.

Zudem hat die Bundeswehr eine Zentrale Ansprech-, Leit- und Koordinierungsstelle für Soldaten, die unter Einsatzfolgen leiden. Ebenso gibt es den Sozialdienst der Bundeswehr. Diese flächendeckenden und niedrigschwellenden Anlaufstellen stehen allen aktiven und ehemaligen Soldatinnen und Soldaten zur Verfügung.

Trotzdem musste Guido Sabbath beispielsweise jahrelang um eine fünfzigprozentige Einsatzbeschädigung kämpfen, die für ihn bessere Ausgleichzahlungen bedeuten. Die Bundeswehr wollte ihm zunächst nur eine dreißigprozentige Wehrdienstbeschädigung zugestehen.

Auch Dirks Forderungen wurde erst nach Jahren stattgegeben.

Autorin: Katharina Pfadenhauer

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